Europäische Union: Mit massivem Vertragsbruch in die Haftungs- und Schuldenunion
Der EU-Rat will mit windigen juristischen Konstruktionen versuchen, die Europäischen Verträge zu umgehen. Er hat am 14.12.2020 einen Beschluss über das Eigenmittelsystem der EU gefasst, der unkalkulierbare finanzielle Risiken für die Mitgliedstaaten bedingt.
In den Europäischen Verträgen (Artikel 311 AEUV) hatten die EU-Staaten vereinbart, dass der EU-Haushalt „vollständig aus Eigenmitteln“ finanziert werden muss. Die jetzt vorgesehenen Schulden gehören zweifelsfrei nicht zu „Eigenmitteln“, sondern sind Fremdkapital. Mit juristischen Kniffen wird versucht, erstmals in der Geschichte der EU eine riesige Verschuldung aufzunehmen. Um den Vertragsbruch zu verdecken, werden für das Eigenmittelsystem positiv klingende Begriffe wie Solidarität, „Next Generation EU“ oder „Corona-Wiederaufbauprogramm“ verwendet. Dies ändert aber nichts daran, dass die Väter des vereinten Europa aus guten Gründen keine gemeinschaftliche Verschuldung zugelassen haben.
Europas großer Schritt in die Haftungsunion und Schuldenunion mit Zustimmung deutscher Politiker
Deutschland hat bisher –zu Recht – die Verschuldung des EU-Haushalts stets abgelehnt. Sie wäre noch schlimmer als Eurobonds, weil Deutschland für die EU-Schulden nicht nur haften würde, wenn ein anderer Staat insolvent wäre, sondern auch, wenn dieser einfach nur aus der EU austräte. Doch jetzt kommt die Schuldenunion durch die Vordertür. Maßgebliche Verantwortung dafür trägt Bundesfinanzminister Scholz, der sich im Bundestag nicht etwa – wie es seine Pflicht als Finanzminister wäre – kritisch zum Vertragsbruch geäußert hat, sondern diesen geradezu bejubelte: „Es ist der Weg in die Fiskalunion und es ist ein guter Weg für Europas Zukunft“. Ähnlich äußerten sich neben vielen deutschen Politikern auch der Präsident des EU-Rates, Charles Michel, und die EZB-Präsidentin, Christine Lagarde.
Schuldenunion 2
Die EU betreibt neben „Next Generation EU“ noch andere Programme. Insgesamt soll eine Verschuldung der EU ermöglicht werden, die weit über 1000 Mrd Euro reicht. Diese setzt sich zusammen aus
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- 750 Mrd. Euro Kreditaufnahme der EU, für die die Mitgliedstaaten gesamtschuldnerisch haften. Davon erhalten die Mitgliedstaaten 350 Mrd Euro als Darlehen und 400 Mrd Euro als nicht zurückzahlbare Finanztransfers.
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- 100 Mrd. Euro umfassendes Programm zur Finanzierung der Kurzarbeit (SURE), ebenfalls kreditfinanziert.
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- 240 Mrd. Euro Kredite für Gesundheits- und Pandemiekosten sollen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM bereitgestellt werden.
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- 200 Mrd. Euro Liquiditätshilfen und Garantien für kleine und mittlere Unternehmen werden über die Europäische Investitionsbank EIB bereitgestellt.
Riesige Umverteilung durch bedingungslose Hilfen
Die Kredite/Zuschüsse an die einzelnen EU-Länder sind nichts anderes als eine riesige Umverteilung, die offiziell mit Solidarität begründet wird. Der Einsatz der Mittel aber erfolgt oft planlos und schlecht kontrolliert. Gerade hat der tschechische Rechnungshof beanstandet, dass Subventionen der EU ohne Strategie eingesetzt werden. Zudem ist es überraschenderweise möglich, die Mittel für Zwecke einzusetzen, die keinen Bezug zur Corona-pandemie haben, Das dürfte die unsolide Finanzpolitik einiger EU-Staaten weiter fördern.
Gesamtschuldnerische Haftung mit unbegrenztem Risiko
Bei früheren Gemeinschaftsprogrammen war die Haftung der einzelnen EU-Staaten vertraglich begrenzt. Beim neuen Gesetz gilt hingegen die gesamtschuldnerische Haftung. Dazu gehört auch die Nachschusspflicht bei Zahlungsunfähigkeit oder EU-Austritt einzelner Mitgliedsstaaten. Dies ist ein unkalkulierbares finanzielles Risiko für die „Geberländer“, die noch nicht einmal nennenswerten Einfluss auf die Verwendung der Mittel haben.
Anstatt Europa zu einen, werden Streitigkeiten zwischen Geber und Nehmerländern weiter zunehmen.
Alternativloser Weg in der Corona-Krise?
Solidarität zwischen den EU-Staaten ist wichtig, selbstverständlich auch zur Bewältigung der Coronakrise. Schulden müssen jedoch im Einklang mit geltendem Recht aufgenommen werden und nicht als „Eurobonds“ mit gesamtschuldnerischer Haftung durch die Hintertür kommen. Nichts ist hingegen dagegen einzuwenden, wenn jeder Mitgliedsstaat der EU die benötigten Mittel auf eigene Rechnung zur Verfügung stellt. Das ist der normale vertraglich vorgesehene Weg. Stattdessen missbraucht die Kommission die Corona-Notlage, um endlich die EU verschulden zu können.
Next Generation EU: Sieht so ein solidarischer Generationenvertrag aus?
Der riesige Schuldenberg soll bis 2058 getilgt werden. Das erleichtert verantwortungsloses Schuldenmachen, denn die Rückzahlung obliegt weitgehend erst der kommenden Generation. Heißt das Programm deshalb „Next Generation EU“, weil die Schulden unseren Kindern aufgebürdet werden? Sollte die vielbeschworene Solidarität nicht auch zwischen den Generationen gelten? Eine Schuldenunion, in der die nächste Generation unsere überzogenen Schulden begleichen muss, ist unsolidarisch gegenüber unserern Kindern!
Eigenmittelbeschluss des EU-Rates vom 14.12.2020
Bericht des Bundesrechnungshofs vom 11.3.2021
zu den möglichen Auswirkungen der gemeinschaftlichen Kreditaufnahme der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf den Bundeshaushalt (Wiederaufbaufonds)
Verfassungsbeschwerde mit Unterstützung von Bündnis Bürgerwille
Bündnis Bürgerwille will den offensichtlichen und in seiner Wirkung unsolidarischen Rechtsbruch nicht hinnehmen. Als gemeinnütziger Verein haben wir es jedem Bürger ermöglicht, sich unserer Verfassungsbeschwerde anzuschließen – und zwar völlig kostenlos und ohne Verpflichtungen. Bündnis Bürgerwille finanziert die Verfassungsbeschwerde ausschließlich aus Spenden – für die wir jederzeit sehr dankbar sind.
Direkt nach Zustimmung zum „Eigenmittelratifizierungsgesetz“ (EratG) in Bundestag und Bundesrat wurde unsere Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Zugleich stellten wir einen Antrag auf einstweilige Anordnung, dass der Bundespräsident die Ausfertigung des EratG bis zur Entscheidung über unsere Verfassungsbeschwerde aussetzen möge. Da alle Mitgliedsstaaten der EU das Abkommen ratifizieren müssen, kann der Eigenmittelbeschluss der EU ohne die Zustimmung Deutschlands nicht in Kraft treten.