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Demonstrative Missachtung des Bundesverfassungsgerichts durch Finanzminister und Bundesregierung

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2020 muss die EZB eine eingehende Verhältnismäßigkeitsprüfung (Kosten-Nutzen-Analyse) ihrer Staatsanleihenkäufe durchführen. Die massive Ausdehnung der Geldmenge führt zu niedrigsten Zinsen, die u. a. eine Bedrohung der privaten Altersvorsorge darstellen, die Stabilität der Banken gefährden und steigende Immobilienpreise und Mieten verursachen. Bundestag und Bundesregierung wurden von Karlsruhe verpflichtet, eine entsprechende Analyse der EZB einzufordern.

Was dann geschah, wirkt wie eine demonstrative Missachtung des Verfassungsgerichts: Am 26. Juni hat die EZB eine Reihe von Dokumenten an die Bundesregierung geschickt. Unmittelbar darauf, nämlich noch am selben Tag, bescheinigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz der EZB, den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang gerecht geworden zu sein. Für die Prüfung der Kosten-Nutzen-Analyse hat Herr Scholz offenbar kaum Zeit gebraucht: Entweder hat er nicht ernsthaft geprüft oder die Unterlagen waren so inhaltsleer, dass nichts zu prüfen war.

Genaues weiß man nicht, denn das entscheidende Dokument der EZB ist als vertraulich klassifiziert. Der normale Bürger darf es nicht lesen. Was hat die EZB zu verbergen? Warum dürfen die Bürger sich nicht selbst davon überzeugen, dass der Nutzen der Staatsanleihenkäufe ausreichend groß ist, um die Gefährdung von Altersvorsorge, Banken und Mietpreisstabilität zu rechtfertigen?

Offengelegte Unterlagen

Wir stellen auf dieser Webseite alle Dokumente zur Verfügung, deren Veröffentlichung die EZB gestattet hat. Wenn es Sie interessiert, suchen Sie gerne darin nach einer Kosten-Nutzen-Analyse der Staatsanleihenkäufe. Falls Sie die nicht finden, muss sie wohl in den Dokumenten sein, die wir nicht lesen dürfen. Aber der Finanzminister durfte sie lesen und er benennt in seinem Schreiben (s.u.) sogar einzelne Seiten.

Falls Sie also eine eingehende Analyse der EZB erhofft haben, werden Sie Ihre Illusionen wohl begraben müssen: Mehr als eine Handvoll Seiten hat die EZB den vom Verfassungsgericht aufgezeigten Problemkreisen nicht gewidmet.

  • Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass neunzehn Staaten der Eurozone betroffen sind und jeder Staat ein anderes Alterssicherungssysteme hat.
  • Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass es Hunderte von Banken in der Eurozone gibt, von denen viele aus den unterschiedlichsten Gründen auf wackligen Beinen stehen.
  • Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, wieviele Immobilienmärkte es in der Eurozone gibt, auf denen sich Blasen bilden könnten und wieviele Städte es gibt, in denen steigende Mieten Wohnungsmangel signalisieren.

Eine Handvoll Seiten, vermutlich mit nichtssagenden Formulierungen wie hier in der letzten geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates, schnell abgenickt vom Bundesfinanzminister. Der Bundestag folgt gehorsamst, die Beratung im Bundestag ist bereits für den 2.7.2020 geplant. So wird das Bundesverfassungsgericht zum machtlosen Grüßaugust gemacht.

Zur Begründung vorgelegte Unterlagen

Schreiben von Finanzminister Scholz an den Bundestagspräsidenten Schäuble wegen Verhältnismäßigkeit PSPP 26.6.2020

Schreiben des Finanzministers
Anlagenübersicht 26.6.2020

Antrag im Bundestag
Antrag von CDU/CSU, FDP, Bündnis90/die Grünen vom 1.7.2020

Unterlagen der EZB zur Begründung des Staatsanleihenkaufprogramms

Geldpolitische Sitzung des EZB-Rates am 3.-4. Juni 2020
Anlage_1
Anlage_2 
Anlage_3
Anlage_4